Angela Merkel verunglimpft, Annalena Baerbock beleidigt: Altenburger kassiert saftige Strafe

Bei einer Protestrede auf dem Altenburger Markt hat er Angela Merkel verunglimpft und Annalena Baerbock beleidigt. Hauptsächlich deswegen ist ein 53-Jähriger vom Amtsgericht nun zu einer saftigen Strafe verurteilt worden.

Altenburg. Als das Video beginnt, vergräbt Sebastian Martin*  sein Gesicht in den Händen. Er mag gar nicht hinschauen, wie er an jenem Freitag im Mai 2021 auf dem Altenburger Markt steht und in ein Mikrofon spricht. Anlässlich einer Protestveranstaltung gegen Corona-Schutzmaßnahmen redet sich der 53-Jährige in Rage. Dabei bezeichnet er die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) als Inoffizielle Mitarbeiterin der Staatssicherheit. Wenige Sätze später bekommt auch Annalena Baerbock ihr Fett weg, nennt er die heutige Außenministerin „dumme Kuh“.

4900 Euro Strafe für üble Nachrede und Beleidigung

Das Amtsgericht Altenburg wertet das bei Baerbock als Beleidigung und bei Merkel als üble Nachrede. Deswegen und wegen der Beleidigung einer Reinigungskraft als „du dumme Ossi-Fotze“ verurteilt Richter Peter Osin den Angeklagten letztlich zu einer saftigen Geldstrafe von 140 Tagessätzen zu je 35 Euro, was in Summe 4900 Euro macht. Dass die Ex-Kanzlerin für die Stasi gearbeitet haben soll, „ist nicht erweislich wahr“, begründete der Richter sein Urteil. „Das sind Gerüchte oder Mutmaßungen und die darf man nicht öffentlich verbreiten.“ Schließlich können diese das Wirken der Betreffenden in der Öffentlichkeit erheblich erschweren.

Altenburger mit Rassismus-Erfahrung

Hinsichtlich Annalena Baerbock sieht Richter Osin eine „nicht vom politischen Meinungskampf gerechtfertigte Beleidigung“. Schließlich habe sie zwar als damalige Kanzlerkandidatin und Grünen-Vorsitzende eine herausgehobene Stellung, aber „nichts Konkretes getan oder gesagt, was polemisch als dumme oder blöde Kuh zu kritisieren wäre“. Vielmehr bringe Martin hier den „eigenen Frust über die Politik allgemein“ zum Ausdruck als auch darüber, selbst „zu Unrecht diskriminiert“ worden zu sein.

Sebastian Martin ist Ausländer, hat einen hörbaren Akzent – und deswegen nach eigener Aussage mehr als einmal schlechte Erfahrungen mit Rassismus gemacht. So auch Anfang September 2020, als er in einer Bankfiliale Geld für ein Zugticket holen wollte und wegen der gerade den Automaten reinigenden Angestellten warten muss. Im Wortduell soll sie ihn geduzt und ihm wenig später entgegengeschleudert haben: „Wenn es dir nicht passt, geh’ doch in dein Land zurück!“

Einsicht bei Angriffen auf Angela Merkel und Annalena Baerbock

Das bestritt die ältere Dame jedoch vehement. Klar ist nur, dass Martin sie beschimpft hat, weil er es selbst zugab. Dabei berief er sich auf verbale „Notwehr“. Denn er fühlte sich von ihr rassistisch beleidigt. „Sie sollten sich merken, dass man nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen darf“, erklärte ihm Richter Osin dazu. „Das Wort Fotze ist extrem frauenfeindlich und verachtend.“ Er halte dem Altenburger aber wegen der Diskriminierungserfahrungen zugute, dass er „an dieser Stelle sensibel“ sei.

„Ich habe gelernt, dass man sich im Rausch des öffentlichen Applauses verlaufen kann“, zeigte sich Martin in seinem Schlusswort reuig bezüglich der üblen Nachrede zulasten Merkels und der Schmähkritik an Baerbock. „Ich distanziere mich von mir selbst.“ Auch wenn er sich als Bauernopfer sehe, weil er für eine oft geäußerte Meinung bestraft werde. Die Beleidigung der Reinigungskraft sehe er aber nicht ein.

Amtsgericht stellt weitere Verfahren ein

Selbst Staatsanwalt Andreas Nitsch warf der Ex-Polizist zwischenzeitlich rassistische Ressentiments vor, worauf dieser kurz laut und deutlich wurde. Trotzdem beantragte er, ein weiteres Beleidigungsverfahren gegen den Angeklagten, bei dem ein Polizist zur verbalen Zielscheibe geworden sein soll, und den Besitz eines potenten Pfeffersprays, der einen Verstoß gegen das Waffengesetz darstellt, einzustellen. Dem gab Richter Osin aus verfahrensökonomischen Gründen und wegen der zu erwartenden Strafe für die anderen Delikte statt.

Damit traf der Richter die Mitte der von Staatsanwalt Nitsch geforderten Geldstrafe von 180 Tagessätzen und den von Verteidiger Dirk Schwerd für ausreichend angesehenen 100 Tagessätzen. Der Rechtsanwalt hatte zudem dafür plädiert, seinen Mandanten für die „wechselseitig begangene Beleidigung“ mit der Reinigungskraft straffrei zu stellen und vor dem Hintergrund eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts im Fall Renate Kühnast zu prüfen, ob Annalena Baerbock nicht eine gewisse Schmähkritik hinnehmen müsse. Das Urteil ist daher noch nicht rechtskräftig.

*Name geändert